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Hausbesetzer

Ornithologie vom

  • Die Nilgänse interessieren sich seit einigen Wochen für den vorjährigen Weißstorchhorst in Mülverstedt. Foto: Joachim Blank
  • Offensichtlich ist auch der Kirchturm von Mülverstedt ein schöner Aussichtspunkt für die Nilgänse. Foto: Joachim Blank

Sucht man im Internet nach einer Definition für Hausbesetzung, stößt man schnell auf Schlagworte wie „widerrechtliche Inbesitznahme“, „Wohnungsmangel“, „Protest gegen spekulativen Leerstand“. In jedem Fall wird ein fremdes und leerstehendes Gebäude zum eigenen Wohnraum erklärt.

Ob die Nilgänse, die sich seit einigen Wochen für den vorjährigen Weißstorchhorst in Mülverstedt interessieren, sich dieser menschlichen Sichtweise anschließen könnten, bleibt fraglich. Für sie ist es wohl nur ein vor Bodenfeinden sicherer und ausreichend großer Platz um eine Familie zu gründen.

Einst als attraktiver Zier- und Parkvogel nach Holland eingeführt, schafften einige Nilgänse den Sprung in die Freiheit. 1981 wurde die Nilgans grenznah zu den Niederlanden erstmals als Brutvogel in Deutschland festgestellt. Die eigentlich in Afrika beheimateten Nilgänse bevölkern dort Sümpfe und Flussläufe der Savannen.

Innerhalb weniger Jahrzehnte weiteten die Nilgänse ihr Brutareal enorm aus. Um 2000 wurde für Deutschland noch ein Gesamtbestand von 250–300 Paaren angegeben, 2005 bis 2009 waren es dann schon 5000-7500 Paare. Inzwischen sind auch weite Teile in Ost- und Süddeutschland besiedelt. Thüringen hatte nach landesweiten Zählungen 2018 rund 400 Brutpaare.

Nilgänse beginnen bereits sehr früh im Jahr mit der Brut. Bereits Anfang März können Jungvögel schlüpfen! Selbst strenge Winter haben kaum negativen Einfluss auf den Nilgansbestand. Hohe Nachwuchszahlen werden den Bestand wohl auch künftig noch anwachsen lassen.

Die Neubürger gelten jedoch als aggressiv und entschlossen, wenn es um die Besetzung eines Reviers geht. Andere Wasservögel haben da oft das Nachsehen. Selbst größere und vermeintlich überlegene Arten müssen nicht selten ihre angestammten Brutplätze räumen, wenn es ein Nilganspaar darauf abgesehen hat. Da die Nistplätze sehr variabel sein können, sind sowohl baumbrütende Greifvogelarten wie Rotmilan und Mäusebussard als auch Gebäudebrüter wie der Weißstorch von der Konkurrenz betroffen. Das Bundesamt für Naturschutz stuft die Nilgans als potenziell invasive Art ein, von der möglicherweise unerwünschte Auswirkungen auf andere Arten ausgehen.

Am 8. März inspizierte erstmals in diesem Jahr ein Weißstorch den Mülverstedter Horst auf dem alten Schornstein der Ziegelei. Ob es der Hausherr oder die Hausherrin des vergangenen Jahres war, ist unbekannt. Sollten sich aber Störche wieder für diesen Nistplatz interessieren, bekommen sie es möglicherweise mit harter Gegenwehr zu tun.

Joachim Blank

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